#Juni
Ich sitze auf dem Balkon, es hat diese Woche ein paar Mal gewittert und ist angenehm hier draußen. Nicht zu heiß, nicht zu kalt. Seit sehr langer Zeit lese ich mal wieder ein Buch – Trevor Noah: Born a crime – und ich genieße es genauso, wie das Glas Weißwein mit Eiswürfeln auf dem Balkon-Tisch.
Und in diesem Moment bemerke ich es. Es ist schon eine ganze Weile da, verborgen unter Reisen und Terminen und Verabredungen, nach denen ich todmüde ins Bett falle:
Ich bin glücklich. Nicht nur jetzt, gerade eben. Sondern schon seit einer geraumen Weile. So lange, dass ich mich gar nicht mehr erinnern kann, wann es mir das letzte Mal so richtig schlecht ging.
Da war eine so lange Zeit immer irgendetwas, das nicht ganz gepasst hat, so wie Kleidung, die zwar schön aussieht, gut sitzt, aber eben nicht perfekt. Immer zwickt etwas ein bisschen, immer bin ich am rumzuppeln. Ich hatte dieses Gefühl ganz stark Anfang des Jahres, noch in den April hinein. Soll das alles sein?, war mein vorherrschender Gedanke. Ankommen hat mir Angst gemacht.
Und jetzt? Ist 2019 ein super Jahr so far. Es ist so, als würde das letzte Jahr vor 30 mir nochmal zeigen: Du bist gewachsen, du bist bei dir mehr angekommen. Du weißt was du willst und was du hast und du kannst dich ein bisschen zurücklehnen. Durchatmen. Mach mal Pause. Reisen, Umziehen, Anpassen für vier Jahre, das war erstmal genug.
Ich liebe die Stadt, in der ich grade bin, den Menschen an meiner Seite, meine Freunde hier vor Ort oder auch auf anderen Kontinenten, über Ländergrenzen hinweg bin ich so vielen Menschen dieses Jahr noch näher gekommen. Da ist weniger Druck im Job, in der Karriere. Habe ein bisschen den Zwang abgelegt selbstständig sein zu müssen. Ich liebe das selbstständige Arbeiten in einem stützenden Firmen-Korsett gerade sehr. Stützend, nicht einengend, das macht den ganzen Unterschied.
Ich kann und will mich gerade nicht beschweren, 2019 ist ziemlich toll!

All this time on the road
Du bist ja echt nie hier, sagt sie. Und es hört sich nicht wirklich an wie ein Kompliment. Es hat ein bisschen den Beigeschmack von: Du haust ja ständig ab. Flüchtest.
Und überhaupt – wie kannst du dir das denn bitte leisten, nur auf Reisen zu sein?
Dabei liebe ich es. Ich liebe es, unterwegs zu sein, liebe es Freunde zu besuchen. Auch, wenn sie ein bisschen weiter weg wohnen als nur 20 Minuten mit der S-Bahn oder mal 45 mit dem Regionalzug.
Reisen ist für mich kein Stress, sondern Entspannung. Ich lade meine Batterien auf, wenn ich in fremden Autos sitze, ich genieße die Zeit, wenn ich im Flixbus aus dem Fenster schaue.
Und ich liebe es, am Freitag noch in München einen After-Work-Drink zu haben und am Samstag in Prag aufzuwachen und zum Café Louvre für Pancakes und einen halben Liter Milchkaffee zu schlendern.
Aber was ich genauso sehr liebe, ist, meinen Rucksack nach zwei Tagen unterwegs wieder abzunehmen, in die Ecke zu stellen, die müden Füße auszustrecken und mich zu dir auf unsere Couch zu lümmeln. Nach Hause kommen.

picks of the month
Hometown Glory
Ich laufe diese altbekannten Straßen entlang, immer noch die gleichen Restaurants zur Seite der Straße. Hier guter Kaffee, dort gute Brez’n. Die Schlaglöcher im Weg so, wie letztes Jahr.
Hitze steht in der Luft, die gleiche Luft. So fremd, so nah. Geschwängert mit Erinnerungen. Nürnberg, du bist so schön. Nürnberg, du bist so fremd. Ich komme gerne an. Und ich fahre auch gerne wieder.
Seenotrettung
Ich kann nicht fassen, dass wir schon wieder – immer noch verdammt – über das Thema Seenotrettung diskutieren müssen. Ich erinnere mich an Demonstrationen letztes Jahr in vielen deutschen Städten, daran wie wir in der Bullenhitze zum St. Pauli Stadion marschiert sind.
Ich kann nicht verstehen, dass all dies scheinbar keine Wirkung gezeigt hat. Dass ein Menschenleben noch immer nicht unbedingt rettenswert ist, wenn es das falsche Leben ist, der falsche Pass, die falsche Vergangenheit, das falsche Schicksal.
Ich kann immer noch nicht fassen, dass wir, dass Politiker sich als Privilegierte über die Menschen stellen, auf dessen Rücken sie ihre Privilegien leben und dass Menschlichkeit leider, wie schon im vergangenen Jahr, noch immer keine Selbstverständlichkeit ist.
Carola Rackete ist frei, aber das ist kein Triumph, kein Sieg – wie sollte man es überhaupt so nennen können. Es ist wenn, dann überhaupt eine Erinnerung daran, auf welchem Weg Europa gerade ist und was das für uns alle bedeutet: wir können es uns einfach nicht mehr leisten, nicht mehr politisch zu sein!
Getting fit
Diesen Sommer habe ich mir ein Ziel gesetzt. Nicht – sportlich werden, abnehmen. Sondern – straffer werden, gesünder werden, fitter werden.
Nicht mehr nach drei Stockwerken keuchen. Keine Muskelkater mehr nach Wandertagen und nicht mehr das Gefühl, dass alles zwar schlank ist, aber nicht stark.
Bin spät dran mit strong is the new skinny und hass‘ schon allein diesen Ausdruck. Aber weiß gerade nicht, wie ich mein Ziel besser ausdrücken soll.
Wie es läuft, zeigt hoffentlich der Herbst…
