Monatsrückblick #5 – Das war der Mai

by Kathi Daniela

Das gesamte Leben analysieren. Durchschauen. Koffer packen. Ballast abwerfen. Reduzieren.

Es ist ein komisches Gefühl, umziehen. Jedes Mal wieder von Neuem wirft man einen Blick auf sein Leben. Fragt sich, was einen noch erfreut und was weg kann. Eigentlich ist es ja eine gute Sache und man sollte es viel öfter machen. Aber in Verbindung mit einem Umzug hat dieser Frühjahrsputz immer auch eine gewisse Melancholie. Es ist ein Kapitel, das da zu Ende geht. Eine neue Staffel fängt an und die finale Episode lässt immer ein etwas schales Gefühl zurück. Als hätte da eigentlich noch mehr sein müssen.

Ich war mit Prag noch nicht ganz fertig. Ich hätte gerne noch einen Sommer dort verbracht. In dieser Seifenblase aus Expats und mit dem Gefühl, dass selbst die alltägstlichsten Dinge wie U-Bahn fahren oder Lebensmittel einkaufen immer noch einen kleinen Kick mit sich bringen.

Jetzt bin ich zurück. Zurück in Deutschland und obwohl ich alles kenne, obwohl mir nichts fremd ist, fühle ich mich etwas fremd. Ich bin irritiert von Jungs, die einen dumm von der Seite anlabern. Sowas passiert dir nicht, in Tschechien. Ich bin genervt von den undurchsichtigen Tarifzonen und den hohen Preisen für die öffentlichen Verkehrsmittel. Ich bin erstaunt, wie viel lauter Deutschland ist. Wie viel lauter als in meiner Erinnerung. Und wie viel freundlicher die Menschen.

Und doch… und doch bin ich skeptisch. Wie das jetzt werden soll, mit der alten Heimat und mir.

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It's a funny thing, coming home...

Everything looks the same, feels the same, even feels the same. You realize what’s changed is you.

Selbstständigkeit
und Social Media

Ein Jahr ist es inzwischen her, dass ich mich aus persönlichen und familiären Gründen selbstständig gemacht habe. Eine Entscheidung, die mich im vergangenen Jahr viele Nerven, viel Zeit und viel Geld gekostet hat. Denn obwohl ich inzwischen über einen fixen Kundenstamm verfüge, und ein relativ gesichertes Einkommen, fühle ich mich noch nicht angekommen in dieser Welt der Freelancer.

Facebook, Instagram und all die Workshops zur Selbstständigkeit von Menschen, die jünger sind als ich – das schüchtert mich ein. Jeder scheint heutzutage ein digitaler Nomade zu sein oder zumindest sein eigener Boss. Jeder zweite hat sich sein eigenes Business aufgebaut und scheint keine Geldsorgen zu haben.

Wo sind die Menschen, denen es geht wie mir? Die es nicht geschafft haben, innerhalb von sechs Monaten ihre zweitausend netto monatlich zu verdienen. Die an den hohen Beiträge der Krankenkasse verzweifeln und an der Einsamkeit im Home-Office?

Wo ist die Realität der Freelancer und Influencer, die sich auf Social Media für #metoo und Body Positivity einsetzen. Warum kann keiner erklären, wie er es wirklich geschafft hat und wie viel Geld er tatsächlich verdient? Weil in Deutschland immer noch nicht über Geld gesprochen wird und weil sich dann der letzte Geheimtipp zum digitalen Nomadenleben nicht mehr teuer in einem Online-Vortrag verscherbeln lassen würde.

Vielleicht bin ich ja auch nicht gemacht für die Selbstständigkeit. Aber dass wir alle mal struggeln, alleine daheim oder bei einem Blick aufs Konto, da bin ich mir ziemlich sicher. Und wenn alle schon mehr Ehrlichkeit auf Social Media predigen, wäre es da auch nicht mal nett, ehrliche Eindrücke zu erhalten?

Eine Woche Meer-Leben

Seit ich aus Kapstadt weg gezogen bin, habe ich das Meer vermisst. Zugegeben, wenn man am Meer wohnt, dann ist man nicht jeden Tag dort. Man wacht nicht jeden Morgen auf und sieht die Morgensonne die Gischt rosarot färben. Und man schaut nicht jeden Abend dabei zu, wie sie 12 Stunden später blutrot in den Wellen versinkt. Nicht jeden Abend, aber oft!

Das Meer entspannt mich. Nirgendwo komm ich so gut runter, wie am Wasser. Und die Vltava war super, aber sie konnte mir das nicht geben. Jetzt kann ich wieder nach der Arbeit an den Strand fahren. Auch, wenn ich nicht auf den Tafelberg gucke dabei, sondern auf den Hafen. Aber das ist schon ein krasser Luxus. Und ich sitze zwar nicht im Shimmy’s, wo für grade mal 30 Euro pro Ticket Robin Schulz auflegt, aber Strandpauli ist auch nicht so übel und der Avocado-Dip kann mit Südafrika locker mithalten!

Ach, Hamburg. Ich mag dich schon!

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2 comments

inka May 30, 2018 - 10:35 am

Willkommen in Deutschland. 😉 Du hast Dir ja die beste Zeit dafür ausgesucht, glaube ich, denn wäre es grau und trist, wäre die Rückkehr sicher schwierig.
Ich frage mich übrigens auch wie Du, wie andere das Gründen anscheinend spielend schaffen und glaube, das ist nicht wirklich spielend, sondern mit sehr wenig Geld haben und viel, viel arbeiten verbunden. Bei einigen wenigen kenne ich das Einkommen und weiß, dass man davon weder Rücklagen noch eine Altersvorsorge bilden kann, daher: Mir war das eigentlich klar, dass ich meinen Job behalten würde, auch wenn mir die wenigen Urlaubstage auf den Geist gehen und sich mehr und mehr Möglichkeiten ergeben. Aber ich finde die Zusammenarbeit mit Kollegen ganz toll, ich habe eine Arbeitsstelle, wo ich hinfahren kann, ich habe Sicherheiten und das Schreiben kann ich mehr und mehr, aber wenn ich keine Lust habe, lasse ich es eben.
Meinen Respekt haben diejenigen, die sich da durchbeißen, für mich wäre das nichts, glaube ich.
Und mehr Realitäten in den SoMes können wir sicher alle gebrauchen, da hast Du sehr Recht.
Fühl Dich gedrückt und hab erstmal einen grandiosen Hamburger Sommer
/inka

Reply
Kathi Daniela June 4, 2018 - 7:09 am

Haha ja, ob du es glaubst oder nicht, war auch unser fester Plan, nur im Sommer umzuziehen 😀
Ich bin ja froh, dass es nicht nur mir so geht und du dich auch fragst, wie Leute das schaffen. Denn nach einem Jahr habe ich halt auch die gleiche Bilanz gezogen: Ich will lieber etwas Festes, dafür aber sicher sein, dass ich ein Leben mit Rücklagen führen kann, in dem mich Sonderausgaben nicht zittern lassen…!
Ich drück dich und alles Liebe nach Berlin,
Kathi

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