The Prague Diaries #4 – Was ich gerne gewusst hätte, bevor ich nach Prag gezogen bin

by Kathi Daniela

Wie du weißt, bin ich nicht der größte Fan von Prag, den die Welt je gesehen hat. Trotzdem habe ich mich in meinem Leben hier inzwischen ganz gut eingerichtet – wenn es da nicht ein paar Kuriositäten gäbe, an die ich mich echt erstmal gewöhnen musste. Da die Artikel über Kapstadt und Dänemark so gut angekommen sind, habe ich mir gedacht:

 

Höchste Zeit, auch einen Artikel über die Dinge zu schreiben, die ich in meiner Zeit in Prag gelernt habe!

 

In vielen Dingen ist Tschechien nämlich doch ganz schön anders als Deutschland, obwohl ich mir am Anfang gedacht habe: Pff, was will denn schon so viel anders sein, abgesehen von der Sprache. Die Sprache… davon fangen wir am besten gar nicht erst an. Denn dass ich Tschechisch jemals beherrschen werde, davon bin ich inzwischen abgerückt.

Doch auch von dem ungewöhnlichen laut »ř« (eine Mischung aus einem R und einem Z und einem Sch) abgesehen gibt es ein paar Dinge hier bei unseren Nachbarn, die doch ganz anders laufen als nur zwei Stunden entfernt hinter der deutschen Grenze.

 

Hab ich schon mal erwähnt, wie begeistert ich von der Vielfalt Europas immer wieder bin?

 

Auch wenn ein paar der Eigenheiten hier in Prag nicht ganz mein Ding sind – es ist faszinierend, wie viel unterschiedliche Kulturen und Traditionen auf einem so kleinen Fleck wie Europa Platz haben, findest du nicht?

Aber jetzt ein paar Dinge, die ich während meiner Zeit in Prag und in der tschechischen Republik bemerkt habe und die ich gerne vor meinem Umzug hierher schon gewusst hätte.

1. Tschechen lieben es, Reservierungen zu machen.

Selbst wenn du in eine Bar gehst, wirst du sehen, dass 90 Prozent der Tische reserviert sind. Wenn du also am Abend spontan mal auf einen Drink gehen willst wird es schwierig – vor allem am Wochenende. Mach dich auf eine weitangelegte Suche nach einem freien Tisch gefasst – oder reserviere selbst!

 

2. Links gehen, rechts stehen.

Die Prager Metro ist ein ganz eigenes Öko-System. Und auf ihren Rolltreppen gilt eine strikte Regel: Links wird gegangen, rechts wird gestanden. Wer sich nicht daran hält, der kann schon mal einen groben Schubs von Hinten in die Kniekehlen kassieren.

 

3. Kein kostenloses Wasser in Restaurants

Das war etwas, das mich erst einmal schockiert hat, vor allem, aus Kapstadt kommend, wo du dein Glas Leitungswasser sogar noch mit Eis und in schickeren Restaurants mit einer Zitrone kostenlos serviert bekommst.

Stattdessen wird man hier bei dem Wort »tap water« nur fragend angeguckt und bekommt dann direkt eine Wasserflasche von Bonaqua zum Preis von 40 Kronen für 250 ml oder eine ganze Literflasche zu einem ebenso horrenden Preis auf den Tisch gestellt. Was mir einfach schleierhaft ist! Denn einfach kurz ein Glas mit Wasser aus dem Hahn zu füllen, ist nun wirklich keine schwierige Aufgabe. Aber sei es wie es sei, ich habe mir angewöhnt, einfach meine eigene Wasserflasche mitzubringen (ob das nun dreist ist oder nicht. Zwei Euro muss ich nun wirklich nicht für einen Schluck Wasser auszugeben!)

 

4. Und auch keine kostenlosen Toiletten

Noch etwas, das mich schockiert hat! Denn wer pinkeln will, der zahlt. Und zwar nicht nur auf der Autobahn wie bei Sanfair, wo du einen Voucher für 50 Cent bekommst, den du eh nie einlöst (löst einer von euch jemals diese Vouchers ein?). Nein, ganz ohne Voucher und Geld zurück.

Normalerweise kostet eine Toilettennutzung so 10 bis 20 Kronen. Klar, das ist nicht die Welt. Aber es ist auch nicht, wie in Deutschland, freiwillig. Die Toilettenfrauen sind da knallhart (siehe auch Punkt 9) und wenn du keine 10 Kronen hast, dann gehst du auch nicht pinkeln. Punkt. Ich gluabe, du könntest dir vor ihnen ins Höschen machen – sie würden garantiert für niemanden eine Ausnahme machen!

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5. Tschechen sind vieles – aber nicht prüde

Das die Tschechen wenn es zu ihren muslimischen (und auch sonstwie andersartigen) Mitbürgern kommt, nicht unbedingt die offenherzigsten ist, das ist leider so. Ich will hier jetzt auch gar keine Rassismus-Diskussion anfange1n, Tatsache ist, dass ich nette Tschechen und sehr rechte Tschechen getroffen habe und Tatsache ist auch, dass sämtliche tschechischen Politiker dagegen sind, irgendwelche Flüchtlinge aufzunehmen. Tatsache ist aber auch, dass die Tschechen, wie viele anderen Ostblockländer, von Ausländern bis Anfang/Mitter der 90er Jahre nicht viel mitbekommen haben und die Medien nicht unbedingt ihren Teil zur Willkommenskultur beitragen. So viel sei zu dem Thema gesagt.

Wesentlich offener sind sie allerdings bei einer anderen Sache: Nämlich Sex und Nacktheit! Ich habe noch keine Nation gesehen, in der sich so viele Frauen im Sommer topless sonnen und in der so viele Sexshops offen in der Fußgängerzone zu finden sind – und nicht versteckt in irgendeiner Schmuddelecke der Stadt. Tschechische Frauen spielen bei ihren Outfits gerne mit ihrem Sexappeal und Saunen und Schwimmbäder sind auf jeden Fall auch für FKK-Liebhaber zu finden.

 

6. Tschechen sind Sportliebhaber

Und mit Sportliebhaber meine ich: Verrückt danach. Ich habe bisher keinen Tschechen getroffen, der es nicht liebt, radfahren, skaten, joggen, schwimmen oder zum Fitness zu gehen. Es ist eigentlich egal was für einen Sport du machst – Hauptsache du machst einen.

Und um das wahre sportliche Commitment auch zu erkennen, tragen Tschechen beim schwitzen und sporteln das perfekte Outfit. Soll heißen: Radlerhosen auf dem Fahrrad, Trekkinghosen mit Zipper zum Wandern, ein perfekt zusammenpassendes Running-Outfit fürs Joggen. Und daneben ich: In meinem alten H&M-Pulli von 1995 in Pink, grünen Sportschuhen und einer Leggins von Tchibo mit grünen Punkten. Ich schwöre euch, das Fremdschämen in den Augen der Menschen, die mir auf meiner Joggingstrecke begegnen ist keine Einbildung!

 

7. Tschechen sind leise, sehr leise

Bisher war ich in keinem anderen Land, in dem es in der Öffentlichkeit so leise ist wie hier. Schon wer telefoniert, wird in der Straßenbahn komisch angeschaut. In den Pubs und Restaurants kann man sich beim Unterhalten tatsächlich verstehen – ganz ohne Schreien zu müssen. Lautes Reden in der Öffentlichkeit ist hier wirklich kein Ding, Menschen sind in meinen Augen einfach zu schüchtern-verschämt und still. Und jetzt sind wir Deutschen auch nicht gerade die Schreihals-Nation. Aber wer hier laut ist, der ist entweder besoffen oder ein Ausländer – und wird mit dem Todeblick bedacht.

 

8. Etikette ist wirklich ein großes Ding

Und mit Etikette meine ich die kleinen Dinge, die in unserem Alltag viel zu oft unter den Tisch zu fallen scheinen!

In der Straßenbahn in Prag stehen die Menschen für Ältere auf. Auch der pubertierendste Teenager gibt jederzeit seinen Sitzplatz für eine alte oder schwangere Frau oder einen gebrechlichen Mann her. Und auch hier gilt: Wer das nicht tut, der wird mit einem kollektiven (stummen) Todesblick bedacht!

Und dann wäre da noch die Sache mit dem Schuhe ausziehen. Ich hab es noch nie gemocht, wenn jemand Fremdes einfach mit seinem dreckigen Straßenschuhen in meine Wohnung stiefelt und am Ende vielleicht noch nicht mal fragt, ob das stört. Hier in Tschechien wird mir das nicht passieren! Als einmal unser Internet ausfiel und der Techniker kam – zog er brav vor der Tür die Schuhe aus. Eine ältere Lady von nebenan liest jeden Monat bei uns das Wasser ab – und lässt die Schuhe vor der Wohnungstür stehen. Das nicht zu tun, wäre echt schlechtes Benehmen.

Außerdem gibt es beim Styling keine Grenze nach oben. Noch nie habe ich in einer Stadt für Events wie Schulversammlungen, fürs Theater oder für sonstige Veranstaltungen so viele Männer (und Jungs) in Anzügen und Fräcken oder Mädels und Frauen in Cocktailkleidern gesehen. 

Only in Czech Republic...

9. Die meisten Menschen sehen aus, als würden sie schrecklich schlechte Laune haben.

Ja, gewöhn dich besser dran, wenn du nach Tschechien ziehst: Die meisten Leute auf der Straße haben es super eilig und sehen so aus, als wären sie am liebsten weit weg von all den anderen Menschen und hätten einen richtig miesen Tag gehabt. Das zeigt sich an den Kassierern, die deine Ware vom Band pfeffern, an den Straßenbahnfahrern, die für ihr Leben nicht für dich anhalten würden, wenn du nach der Bahn rennst, an den Beamten, die dich ansehen, als hättest du, ganz persönlich du ihnen den Tag versaut oder in der Hackordnung der öffentlichen Verkehrsmittel (aka: Tritte auf die Füße oder Ellenbogen, die dir zeigen, dass du am falschen Platz stehst oder gehst).

Tschechische Freundlichkeit ist etwas seltenes, aber dafür etwas, dass ich inzwischen viel mehr zu schätzen weiß, wenn es mir begegnet. Und in den anderen Momenten bleibt nur: Ein gutes Stück Ignoranz und ein dickes Fell.

 

10. Mittagsmenüs kosten so gut wie nichts

Am Mittagessen kann die schlechte Laune meiner Mitbürger definitiv nicht liegen! Denn in Tschechien gibt es ein Konzept, dass ich liebe: Das Mittagsmenü! Das heißt: Eine Suppe, ein Hauptgang (normalerweise kann man zwischen 4-6 Gerichten wählen, wenn was aus ist, ist es aus) und ein Getränk (Bier ist total acceptable) bekommst du für ungefähr vier bist fünf Euro!

Und die Tschechen nehmen sich Zeit für ihr Mittagessen. Zwischen 12 und 14 Uhr sind alle Restaurants gerammelt voll und es wird nicht nur schnell gegessen, sondern schon eine gute Stunde bis eineinhalb am Tisch verbracht. Eigentlich eine ziemlich entspannte Tradition, die den Arbeitsalltag ganz schön entzerren kann.

 

11. Hunde sind überall

Und wenn ich sage überall, dann meine ich überall. In den Shops, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, auf Konzerten, in Parks und Pubs und auf der Straße. Die Tschechen lieben ihre Hund über alles (und sind von allen Nationen, die ich bisher erlebt habe, am allerbesten damit, die Hundescheiße, die ihre Vierbeiner verteilen, auch tatsächlich aufzuklauben und wegzuwerfen!). 2016 lebten rund 2,2 Millionen Hunde in der tschechischen Republik. Bei knapp 10,6 Millionen Einwohnern heißt das, rund jeder fünfte Tscheche hat einen vierbeinigen Begleiter.

12. Touristen sind auch überall

Rund sieben Millionen Touristen besuchen Prag pro Jahr, das macht fast 600.000 zusätzliche »Einwohner« pro Monat! Und das merkt man. Sei es eine millionste Gruppe von britischen Stack-Party Gängern in Teletubby-Kostümen, das tausendste südkoreanische Brautpaar, das Hochzeitsfotos auf dem Rathausplatz vor der astronomischen Uhr machen will oder einfach nur die Massen von Menschen, die sich über die Karlsbrücke schieben!

Im Dezember war es für mich am Schlimmsten – alles konzentriert sich auf die Innenstadt und die Weihnachtsmärkte und nachdem wir an einem Samstag für einen Drink eineinhalb Stunden von Pub zu Pub geirrt waren, habe ich für mich beschlossen, die Innenstadt soweit es geht zu vermeiden. Prag ist eine wunderschöne Stadt und schöne Dinge ziehen nun mal Touristen an. Aber dass die Tschechen manchmal von den Massen die Nase voll haben, kann ich wirklich verstehen.

13. Bier ist billiger als Wasser

Wir haben es schon geahnt, oder? Die Tschechen trinken weltweit am meisten Bier. Nämlich fast 125 Liter pro Kopf und Jahr! Und das sieht man auch: In der Öffentlichkeit, in den Pubs und Restaurants – und an den Bierpreisen. Denn Bier ist in Tschechien tatsächlich billiger als Wasser. Während man einen halben Liter Staropramen oder Kozel in Prag schon für 35 Kronen (rund 1,40 Euro) bekommen kann, kostet eine kleine 250 ml Flasche Wasser oft das gleiche oder mehr! Kein Wunder, dass da lieber auf Bier ausgewichen wird (vor allem, da Wasser eigentlich nirgendwo kostenlos zu kriegen ist, sh. oben!). Ob es auch eine Statistik gibt, wie viele Alkoholiker dieser Umgang mit Alkohol schon hervorgebracht ha?

Ist mir auch egal – ich geh jetzt erst mal ein Bier trinken!

Und wenn ihr noch Ergänzungen für diese Liste habt oder Tschechien schon einmal besucht habt und der gleichen Meinung seid – lasst mir einen Kommentar da!

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7 comments

Lara Püschner Juli 12, 2019 - 9:43 pm

Hallo, ich war erst letztens in Prag (05.07-11.07) und hatte dort mit meiner Stufe unsere Abschlussfahrt. Leider habe ich den Artikel erst jetzt gelesen und ich bin ganz froh, dass ich nicht die einzige bin die findet, dass die Menschen dort schlecht drauf sind oder zumindest dieses Gefühl vermitteln. Wahrscheinlich haben die auch gemerkt, dass wir Touristen sind. Da wir auch mal links auf der Rolltreppe standen oder auch teilweise nebeneinander. Oder das ich einmal in der Straßenbahn telefoniert habe und das bestimmt für 10 Minuten. Zudem haben wir auch nie in Bars oder Restaurants reserviert und hatten meistens glück, dass noch etwas frei war. Wenn ich jetzt nochmal die Reise reflektiere und mit dem Artikel vergleiche, wird mir einiges bewusst was ich hätte anders machen können.

Anmerkung: Es gibt in dem Einkaufszentrum Palladium kostenlose Toiletten, was mich echt erstaunt hat.

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Kathi Daniela Juli 18, 2019 - 8:37 am

Hi Lara,
danke für dein Feedback! Beim ersten Mal tappt man einfach manchmal in Fettnäpfchen, aber beim nächsten Mal passiert dir das sicher nicht mehr 🙂
Und toller Tipp mit den kostenlosen Toiletten im Palladium!
Liebe Grüße,
Kathi

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2018 Recap - Kathi Daniela August 9, 2019 - 11:44 am

[…] Was ich gerne gewusst hätte, bevor ich nach Prag gezogen bin […]

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nox August 27, 2019 - 1:33 am

Rechts stehen, links gehen! – Das gilt fast in allen U-Bahnen der Welt, in London steht es sogar auf Schildern und es gibt Durchsagen die einem das mitteilen.
Natürlich kostet Wasser in Restaurants Geld, damit verdienen die ihr Geld. Die Tschechen sind ein sehr höfliches Volk. Aber eigentlich möchten (und dürfen) sie jemanden der seine eigenen Getränke mitbringt rausschmeißen.
Es gibt Länder in denen das anders ist. In Frankreich z.B. hat man ein Anrecht auf kostenloses Wasser, sofern man etwas isst. Wobei das hier natürlich auch im Essen mit eingepreist ist. Bitte verstehe das nicht falsch. Aber in Tschechien oder Deutschland ist die nicht der Fall. Und der Service läuft nunmal nicht kostenlos. Wenn jeder sein Getränk mitbringt sinken die Umsätze, was zur Folge hat das Menschen entlassen werden müssten oder Gaststätten ganz dicht machen. Die Kosten bei alkoholfreien Getränken verursacht nicht das Produkt, sondern der Service und die Betriebskosten.

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Kathi Daniela August 27, 2019 - 2:13 pm

In allen deutschen Städten, in denen ich bisher gewesen bin, habe ich auf Nachfrage immer Leitungswasser kostenlos bekommen. Gerne zahle ich für Sprudelwasser – aber für Wasser aus dem Hahn werde ich kein Geld ausgeben. Das heißt ja nicht, dass ich deshalb nicht trotzdem anständig esse, ein Bier trinke und 10 % Trinkgeld dalasse 😉

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Homepage November 11, 2020 - 5:31 pm

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Roxana Januar 29, 2021 - 8:19 am

Ich war bisher zwei Mal in Prag und bin gar nicht deiner Meinung. Alles was du beschreibst, ist in der Schweiz auch normal und habe es daher als sehr abgenehm empfunden. Für uns sind Deutsche auch eher laut und unfreundlich, was in der Schweiz auch öfters für Unmut sorgt. So sind wird halt alles aus verschiendenen Kulturen und das ist ja auch schön, wenn man mal was anderes kenne lernt.

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