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Die Sonne scheint mir warm ins Gesicht, das Thermometer ist auf 20 Grad geklettert. Ich schließe die Augen, sauge jeden Strahl auf. Das melodische, spanische Gespräch der Jungs am Tisch neben uns verliert sich im Hintergrund. Das Hupen und Zischen der Autos, die viele Meter unter uns über die Gran Via rollen, rückt in weite Ferne.
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Sechs Tage Frühling in Spanien waren der perfekte Abschluss meiner Zeit in Deutschland. Mitte 2018 zogen wir zurück, nach Hause, dachten wir. Deutschland, meine Heimat sollte auch seine Heimat werden. Das gelobte Land so vieler Menschen weltweit, die Insel der unbegrenzten Möglichkeiten in einem Europa, das sich immer mehr abschottet.
Und zwei Jahre später: Sind wir desillusioniert. Deutschland mag dem Fremden gegenüber offen sein. Aber nur wenn die Deutschen als Urlauber anderswo unterwegs sind. Das Fremde vor der Haustür? Immer noch suspekt. Nicht nur die Abschlüsse aus dem Ausland, die nicht immer anerkannt werden, die professionellen Türen, die verschlossen bleiben. Auch die Blicke auf der Straße, wenn jemand anders ist, ein bisschen lauter vielleicht, ein bisschen ehrlicher, ein bisschen weniger angepasst. Ich habe mich nicht an sie gewöhnt. Sie tun jeden Tag ein bisschen mehr weh, wenn sie den Menschen treffen, den ich liebe. Meinen Partner, der vielleicht Deutsch spricht, der unsere Kultur kennt, der sich Mühe gibt, dazu zu gehören. Das alles, das zählt nicht in den Augen der Menschen hier – bist du nicht deutsch, bleibst du nicht-deutsch!
Und jetzt, wo Demonstrationen gegen Muslime in der Münchner Fußgängerzone zur Regelmäßigkeit werden, wo Sisha-Bars und Synagogen, Moscheen und das bosnische Restaurant nebenan keine Safe Places mehr sind, keine Orte an denen meine Freunde ihre Identitätskrise und den Struggle, sich anzupassen, für einen Moment vergessen können – jetzt ist es vielleicht an der Zeit zu gehen. Ich werde mich immer aussprechen gegen Nazis, gegen Rechtsradikalismus und gegen Rassismus. Aber ich kann dieses Kampf nicht hier in Deutschland kämpfen. Nicht,wenn ich dabei Angst um meinen Partner haben muss!


Meine Freunde ziehen um, in größere Wohnungen, die Platz für ein Kinderzimmer bieten oder zumindest ein bisschen aus der Stadt heraus. Aufs Land, wo es leichter ist, eine Familie zu gründen. Einige von ihnen haben das sogar schon getan. Warten auf das erste Kind, haben schon eines oder planen sogar bereits das zweite.
Und ich? Will immer noch mitten im Geschehen wohnen, neben den coolsten Kneipen, schönen Restaurants und kleinen Boutiquen – ganz ohne Kinder oder überhaupt den Wunsch danach!
Wenn es um Kinder oder den Kinderwunsch geht, sind viele Menschen unfassbar taktlos. Das geht bei meiner Großmutter los, die auf die Ankündigung unseres Umzugs erst mal nur bemerkte: „Dann muss ich wohl noch länger auf Enkelkinder warten…“ Und endet mit unserem Marketing-Consultant auf der Arbeit, der meine Kündigung kommentierte mit: „Das ist aber auch kein Leben für Kinder.“
Ganz davon abgesehen, dass ich es unfassbar übergriffig finde, das Leben einer Person so zu kommentieren, ist das Thema Kinder für uns alle ein sehr sensibles. Ob wir nun keine bekommen können, welche haben oder einfach keine möchten – alles, was Nachwuchs betrifft ist mit so vielen Klischees und Vorgaben behaftet, dass es fast unmöglich ist, die richtigen Worte zu finden.
Aber was, wenn ich mir dieses Familienleben – unabhängig von meiner Ehe – überhaupt nicht vorstellen kann? Wenn das wichtige Ziel, nämlich den perfekten Mann zu finden, nicht automatisch in das zweit wichtigste Ziel mündet, nämlich eine Familie zu gründen? Was, wenn ich meine – unsere – Freiheit nicht aufgeben will? Wenn ich mich der Verantwortung nicht gewachsen fühle?
Völlig gleichgültig, was meine Gründe sind: Ich werde jetzt 30 Jahre alt und ich sehe keine Kinder in meinem Leben, Nicht jetzt und auch nicht in drei, vier oder fünf Jahren. Und doch fühlt es sich an, als müsse ich mich noch immer dafür rechtfertigen oder entschuldigen, dass ich mich gegen diesen Meilenstein entscheide. Dass ich glücklich bin und mein Leben sich ganz und gar vollständig anfühlt – ganz ohne das, was mir andere aufzwingen wollen.

picks of the month
… ein Picknick im Gras – bei 20 Grad und Sonnenschein.
… zu wissen, dass ihr für mich da seid – was auch immer passiert.
… der Moment, in dem man klickt, obwohl man es gar nicht mehr erwartet hat. Und einen wirklich guten Abend verbringt.
Eine Flamenco-Show und es war unglaublich. Die Musik, der Gesang, die Bewegungen – so viele Emotionen in einen Tanz gepackt!
Ich bin ein riesiger Fan von Cava. In Madrid ist er zwar kein so großes Dinge wie in Katalonien, trotzdem haben wir eine tolle Cava-Bar entdeckt. Wenn ihr in Madrid seid, besucht die Stroganoff-Bar und bestellt einfach, was der Inhaber euch empfiehlt!
Nachtzug nach Lissabon. Ich habe es in einem der Büchertausch-Regale hier in München aufgegabelt und der Titel kam mir bekannt vor. Es ist anstrengend, aber gleichzeitig flüssig zu lesen und bringt mich zum Nachdenken über das Leben – und was man daraus macht.
… habe ich in den vergangenen vier Wochen sehr viel darüber, was ich brauche, um in meinem Job zufrieden zu sein. Was für mich ein erfolgreiches Arbeitsleben ausmacht.
Noch nicht oft habe ich mir darüber Gedanken gemacht, Jobs einfach oft gewechselt. Doch jetzt weiß ich, was ich brauche. Eine entspannte Arbeitsatmosphäre, in der ich mich wohlfühlen kann, ein bisschen persönlichen Austausch, das Vertrauen meines Vorgesetzten in meine Fähigkeiten.