#3 | Ich glaub ich geh heut nicht mehr tanzen!
Krass, wie dieser Monat alles verschoben hat. Prioritäten, Pläne, Probleme – alle sind innerhalb weniger Stunden größer oder kleiner geworden, haben sich in Luft aufgelöst oder sich als völlig irrelevant herausgestellt.
Anfang des Monats war der Umzug noch unsere erste Priorität, meine Camera Roll voll von Videos, in denen wir Koffer packen, Kleider zur Diakonie bringen oder Kunst in Seidenpapier einschlagen.
Dann: Fotos von leeren Regalen, Screenshots von den neuesten Spiegel- und BR-Meldungen, Selfies auf dem Balkon und von Houseparty-Calls und Memes, Memes, Memes…
Sogar meine Camera Roll scheint verwirrter und unfokussierter zu werden – und ist damit ein ziemlich genauer Spiegel meiner momentanen Stimmung.
Anstatt in einer leeren Wohnung auf gepackten Koffern zu sitzen und in zwei Tagen nach Bosnien aufzubrechen, sitzen wir in einer halbleeren Wohnung auf halbgepackten Koffern und lesen die Nachrichten. Erst mehrmals in der Stunde, dann mehrmals täglich, schließlich nur noch einmal am Abend – öfter erträgt man es ja nicht mehr.
Mein Mann telefoniert mit Behörden, mit Botschaften und Konsulaten, mit der Grenzpolizei und seinen Eltern – doch am Ende kommt immer nur das gleiche dabei raus: Wir können Deutschland nicht verlassen. Die Grenzen sind geschlossen, mein deutscher Pass verhindert unsere Einreise nach Bosnien-Herzegowina, der neue Job meines Mannes bei einer Lufthansa-Tochter-Firma ist erst einmal verschoben…
Also sitzen wir weiter und warten. Und das ist anstrengender als alles, was wir bisher getan haben. Aber es geht ja nicht nur uns so, sondern einer ganzen Nation, der ganzen Welt. Alle sitzen still und halten den Atem an – und warten darauf, endlich aufseufzen zu dürfen.


So leer waren die Straßen in München noch nie. An der Hauptstraße lassen wir jetzt zum Schlafen abends die Fenster offen und morgens auch. Unser Gym gegenüber ist schon lange geschlossen – die Fenster dunkel.
Nach einem Tag voller Teams-Videocalls, Telefonaten und Zoom-Gesprächen bin ich müde. Kann mich kaum aufraffen, mit Freunden zu telefonieren aber fühle mich irgendwie hohl, weil der Talk über die Arbeit mich nicht ausfüllt.
Ich verbiete mir, die Nachrichten stündlich zu checken, weil ich davon Panik-Attacken bekomme und bete gleichzeitig, dass die Ausgangssperre nicht noch strenger wird, während ich auf meinem täglichen Spaziergang bin.
Wie lange noch? Bis 21. April – mindestens. Können wir es so lange noch aushalten? Vielleicht – wenn Edeka der Wein nicht ausgeht.
#staythefuckhome
Ich glaub‘ ich geh‘ heut‘ nicht mehr tanzen
Ich glaub‘ ich geh‘ heut‘ nicht mehr raus
Ich glaub‘ ich rauche heute Pflanzen
Und bleib‘ allein zu Haus
Ich glaub‘ ich geh‘ heut‘ nicht mehr tanzen
Ich glaub‘ ich geh‘ heut‘ nicht mehr raus
Ich glaub‘ ich rauche heute Pflanzen
Und bleib‘ allein zu Haus
Ich bin noch immer so müde von gestern
Und suche bei Netflix nach einem Western
Die Jungs mit Revolvern helfen vergessen
Dass man trinkt um zu vergessen


picks of the month
2020 ist wahrscheinlich das beste Jahr jemals gewesen, um einen Streaming-Dienst zu launchen. Ich hab mir natürlich auch schon Disney+ geholt und wir haben am Wochenende mit Star Wars gestartet.
Zum Kochen wirklich viel Zeit haben wir im Alltag eher selten. Also gibt es so richtig aufwendige Sachen nicht so oft. Jetzt haben wir aber am Wochenende vor allem Zeit im Überfluss, weshalb mein Mann auch selbst Burek gemacht hat – ein bisschen Bosnien hier in München, wenn wir schon nicht dort sein können.
Habe ich mir tatsächlich vor allem, mich nicht von Instagram und den Nachrichten unter Druck setzen zu lassen. Überall scheinen sich die Menschen gerade zu optimieren. Das ist aber kein Bildungsurlaub, sondern eine verdammte Pandemie, die alle unsere Leben auf den Kopf gestellt hat. Und das zu akzeptieren, hat eine Weile gedauert. Jetzt lese ich und schaue Serien oder Reise-Dokus und schreibe ein bisschen und das ist ganz und gar genug!
Habe ich viel zu viel Nachrichten und Instagram-Posts über Journaling und Sportpläne und neue Sprachen, die man jetzt doch endlich mal anfangen könnte zu lernen.
Diese Woche habe ich damit aufgehört, lese jetzt stattdessen den Blog Liebesbotschaft, weil der gute Laune macht und Energie gibt und habe mir auch gesagt, dass ich nicht gerade jetzt super anspruchsvolle Lektüre lesen muss.
Ich habe mir also ein paar Chicklit-Bücher ausgesucht, außerdem habe ich auf der Leseliste noch die Biographie von Michelle Obama, „Herkunft“ von Saša Stanišić und „Angstphase“ von Antonia Wille, das ich schon vorbestellt habe und auf das ich mich sehr freue!
… lieben Menschen trotz physical distancing ganz nah zu sein.
… von Fremden einen Fernseher geschenkt zu kriegen, weil wir unseren tatsächlich 24 Stunden vor dem Lockdown verkauft haben.
… mit dir noch mal in den Bergen frische Luft zu schnappen und dir dabei meinen liebsten Ort in Bayern – den Eibsee- zu zeigen.
1 comment
Thanks to the Google Translate extension, I can read your blog hehe
Love this kind of monthly article. For sure, this month was difficult and I can barerly imagine what it feels in your situation… Hopefully, you are not alone ♡
I look forward to discover Bosnia through your account soon ! xx