Sechs Monate, die sich wie ein ganzes Leben angefühlt haben. Sechs Monate mit vielen Höhen und Tiefen. Freudentränen und frustrierten. Es gab Momente, in denen ich das Gefühl hatte, mich selbst verloren zu haben, mein ganzes Leben drehte sich nur um eines: Warten, dass es weitergeht, ans finale Ziel, nach Südafrika. Ich habe versucht, meine Zeit in Sarajevo so gut es ging zu genießen, aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es war einfach. Manchmal war es verdammt schwer – wie es dieses Jahr für uns alle ist.
Ich verlasse Sarajevo mit einem Gefühl, dass schwer zu beschreiben ist. Ich hatte niemals das Gefühl, wirklich hierher zu gehören – und dennoch bleibt jetzt ein Teil von mir in dieser Stadt zurück. Sie gehört zu mir, zu meinem Leben – und wann immer ich in der Nähe bin, werde ich mich Sarajevos Anziehungskraft nicht entziehen können. Die Stadt wird für immer hier sein, mit mir, unter meiner Haut. Und ich werde immer wieder zurück kehren, um durch die Mahalas zu laufen, Kaffee in der Baščaršija zu trinken und um die Menschen zu treffen, die ich lieb gewonnen habe.
Ich kenne Sarajevo nun zu gut, als dass es nur eine Stadt sein könnte, die ich eben einmal besucht habe. Und ich kenne Sarajevo nicht gut genug, um es Zuhause nennen zu können. Eine Übergangsstadt für ein Übergangsjahr – mein Wartesaal, der Ort an dem die Unsicherheit, die Angst, der Frust sich aufgestaut und entladen haben. Und schon allein deshalb, weil diese Stadt so voll ist mit Emotionen, werde ich immer wieder zurück kommen.
coffee is life
Ich liebe es, dass Kaffee das Rückgrat dieser Gesellschaft ist – ich kann nur immer wieder sagen, wie besonders dass Sarajevo für mich macht. Kaffee wird hier zu jeder Tageszeit getrunken – und das stundenlang.
everybody has a weekend house
Obwohl Sarajevo umgeben ist von Bergen, scheint jeder eins zu haben: Das Wochenendhaus, die Vikendica. Sobald es Freitag wird, brechen die Familien auf, um ein Wochenende in der Natur zu Wandern und zu Grillen – 10 Minuten von der Stadt entfernt.
culture shock is a real thing
Bosnier sind laut, Deutsche erheben ihre Stimme in der Öffentlichkeit nicht.
Bosnier kommen nur unangemeldet vorbei, um ihre Familie zu besuchen, Deutsche planen im Voraus.
Wenn Deutsche nichts essen und trinken wollen, sollte man sie nicht drängen, in Bosnien ist es unhöflich, Essen und Trinken bei jemandem zu Hause nicht zu akzeptieren.
Ja, es ist manchmal schwierig und kulturelle Unterschiede existieren definitiv. Aber es ist schön, diese Unterschiede zu sehen, zu akzeptieren, vielleicht sogar für sich selbst anzunehmen – solange die Menschen Geduld miteinander haben.
not every person in bosnia considers themselves bosnian
Ich will hier nicht in Detail gehen, manchmal verstehe ich Bosnien ja selbst nicht. Drei Religionen, drei Ethnien und ein Land – eng miteinander verflochten. Serbisch zu sein, heißt orthodox zu sein. Bosniakisch zu sein, heißt muslimisch zu sein und Kroatisch zu sein heißt katholisch zu sein. Und dazwischen 100 Ausnahmen und Mischungen.
Was ich jedoch mit Sicherheit sagen kann: Nicht jeder Mensch mit einem bosnischen Pass würde sich selbst als Bosnier bezeichnen.
POLITICS HERE ARE crazy COMPLICATED
Wusstet ihr, dass Bosnien-Herzegowina drei Präsidenten hat? Die mehrmals im Jahr rotieren? Nein? Gut, dann dürftet ihr spätestens jetzt verstehen, warum in diesem Land politische Änderungen nur langsam oder gar nicht passieren.
never trust a bottle without a label
Denn sie enthält vermutlich selbstgebrauten Rakija. Und niemand will nach dem Sport nach Hause kommen, eine eiskalte Flasche Wasser im Kühlschrank entdecken und einen tiefen Schluck nehmen, nur um festzustellen… dass es kein Wasser ist. #thankmelater
the nature is breathtaking
Noch nie in meinem Leben habe ich so eine Diversität auf so kleinem Raum gesehen: In vier Stunden fährt man vom Meer in die Olympischen Berge. Wilde Flüsse, unberührte Wälder und Weinberge – Bosnien-Herzegowina hat alles zu bieten, was man sich nur vorstellen kann!
not all muslim countries are conservative
Ich wurde oft gefragt: Kathi, sag mal, wie ist es in einem muslimischen Land zu leben? Und Bosnien ist dafür vermutlich kein Paradebeispiel denn: Man bemerkt nichts davon. Und das, was man bemerkt, ist ein wunderschönes Beispiel von Toleranz. Wenn verschleierte Mädchen mit ihren Freundinnen rausgehen, die Minirock tragen. Oder wenn man sich nach dem Freitagsgebet auf ein Bier trifft. Oder jemand nicht dafür verurteilt wird, dass er eben nicht trinkt. Alles ist möglich hier in Bosnien – und die Religion ist natürlich Teil des Lebens, aber sie bestimmt es nicht.
communication will be frustrating
Englisch wird in Bosnien-Herzegowina nicht überall gesprochen, viele Menschen sprechen ein wenig Deutsch. Touristen werden generell ja so herzlich aufgenommen, aber wenn man an einem Ort lebt, dessen Sprache man nicht spricht – frustriert das. Apotheker die sich umdrehen, Frauen im Kiosk, die „No“ sagen, und mich anschließend ignorieren. All das habe ich erlebt, all das hat mich den Tränen nah gebracht und all das ist Teil des Auswandererlebens.