So eine große Sache endlich öffentlich zu machen ist Stress und Erleichterung gleichermaßen. Denn auf der einen Seite hasse ich nichts mehr, als Geheimnisse und Unklarheiten zu haben. Aber auf der anderen Seite geht es dann erst richtig los. Denn dazu, dass ich Deutschland verlassen möchte, hat jeder seinen Senf beizusteuern. Und auch mir ist die ein oder andere Erkenntnis gekommen, während ich Zeit mit dem Kampf ums Visum vertue und eigentlich langsam nur noch los will. In den vergangenen Monaten hatte ich deshalb genug Zeit, festzustellen, dass sich manche Gefühle und Situationen häufen, wenn man vorhat, dauerhaft seine Koffer zu packen.
Gefühle und Gedanken, die du hast, wenn du auswanderst
The struggle is real. Bis zum Umzugstag habe ich noch ein Vierteljahr, aber das brauche ich auch dringend. Wohnung ausräumen, Möbel verkaufen, Familie besuchen, Freunde treffen… Ich weiß gar nicht, wie ich alles noch unter einen Hut kriegen soll.
Denn Sachen auf eBay-Kleinanzeigen, dem Facebook Marketplace oder Kleiderkreisel zu verkaufen, klingt erst einmal leicht, ist aber tatsächlich viel zeitaufwendiger als gedacht.
Und dann sind da auch noch die Freunde mit denen ich noch möglichst viel Zeit verbringen möchte, bevor wir auf Facetime umsteigen müssen – was mich jetzt schon zum Heulen bringt, wenn ich nur daran denke. Was ich außerdem gleich gelernt habe: Allen anderen – die, die nur neugierig sind, sich aber niemals gemeldet hätten, hätten sie jetzt nicht gesehen, was bei mir ansteht – höflich aber bestimmt ein Treffen abzusagen. So bleibt mir mehr Zeit für die wichtigsten Menschen in meinem Leben.
Jeder, der schon einmal ein Visum beantragen musste, weiß, dass jegliche Art von Einwanderungs- oder Ausländerbehörde der wahre Endgegner eines Expats ist!
Und gerade die südafrikanischen Behörden arbeiten mit einer Langsamkeit und einem Bürokratie-Wust, der die deutsche Ämterlandschaft ganz heimelig aussehen lässt. Erschwerend kommt noch hinzu, dass man beim Visumsantrag eigentlich das Gefühl bekommt, sie würden ihn von vornherein schon viel lieber ablehnen.
Denn wenn ich endlich glaube, alle Dokumente zusammen zu haben, werde ich ganz sicher damit überrascht, dass Formular 2.62D fehlt – ohne das selbstverständlich gar nichts geht.
Schau wie schön die Magnolien blühen, nächsten Frühling siehst du das nicht mehr! Oder: Guck, wie lieb dein Pferd dich heute wieder anschaut. Du weißt, dass du es schrecklich vermissen wirst, oder? Oder: Mensch, Nürnberg ist doch einfach eine wunderschöne, putzige kleine Stadt! Hier lässt sich’s ganz gut leben, oder?
Die Nostalgie ist dabei zwar ein zweischneidiges Schwert, schließlich will sie einen ja überreden, daheim zu bleiben – auf der anderen Seite ist es auch schön, die eigenen Heimat mal wieder mit offenen Augen zu sehen.
Wenn du etwas tust, das für viele Menschen unvorstellbar oder außer Frage ist, dann sind sie oft schnell dabei, sich nicht für dich zu freuen, sondern dich zu verurteilen. Natürlich nicht alle, aber die nervigsten Fragen derjenigen, die eine sehr genaue Meinung darüber haben, was es bedeutet, nach Afrika auszuwandern, will ich euch nicht vorenthalten:
»Wie lange hast du noch mal gesagt, dass du bleibst?«
»Ist dir klar, dass die dort kein Deutsch sprechen?«
»Machst du davor noch einen Selbstverteidigungskurs?«
»Wieso hast du einen Job mit einer so miesen Bezahlung angenommen?«
»Hast du keine Angst vor Aids?«
»Wirst du dann auch in einer Wellblechhütte leben?«
Dieser Gedanke wird dir kommen. Vielleicht sogar öfter, als dir lieb ist. Am Anfang habe ich mich noch dafür geschämt – aber jetzt denke ich mir: Ich ziehe ans andere Ende der Welt. Es wäre ja auch verrückt, keine Angst zu haben.
Angst vor dem neuen Leben. Angst, meine Sachen nicht loszuwerden. Angst, schon am Flughafen irgendwie stecken zu bleiben und gar nicht erst anzukommen. Angst, mich am Ende nicht zu trauen.
Je näher der Tag kommt, desto mehr Angst habe ich und desto weniger will ich eigentlich noch gehen. Aber ich glaube, auch das ist ganz normal – und sobald ich dann im Flugzeug sitze, in dieser kleinen Kapsel, die losgelöst vom normalen Raum-Zeit-Gefüge ist, wird sich die Angst hoffentlich auch wieder legen.
10 comments
alles so gut geschrieben .wir waren nur ein jahr in Neuseeland und es war ein wunderschöne Zeit aber für länger noch nicht.
Danke 🙂
Aber ein Jahr ist ja auch eine ganz schön lange Zeit! Vielleicht wird es bei mir auch nicht länger, schlussendlich.. was habt ihr dort denn gemacht? 🙂
Wir haben dort work and travel gemacht.Habe meinen Job gekündigt und weg waren wir.War eine tolle Zeit dort.Wo hast du vor zu Reisen?
Jeder, den ich kenne und der in Neuseeland war, schwärmt nur noch davon und möchte unbedingt zurück! Mutige Entscheidung 🙂 Ich hab einen Job in Kapstadt angenommen, der Plan ist dann natürlich auch, möglichst viel vom Süden Afrikas zu sehen und zu bereisen 🙂
Ohh wie schön. Ich freu mich immer noch für dich, auch wenn es stressig ist 😉
Daaaaanke! Ich will langsam einfach nur noch endlich los, Geduld ist nicht meine Stärke ?
[…] Ich habe euch erzählt, dass ich mit dummen Fragen konfrontiert werde, wenn die Leute erfahren, dass ich nach Südafrika ziehen werde. Fakt ist, dass zum Thema Auswandern und insbesondere zum Thema Auswandern nach Afrika jeder eine sehr genaue Meinung hat. Und wie Menschen nun mal sind, müssen sie diese Meinung auch dringend mit mir teilen. Schließlich muss mir ja klar gemacht werden, dass meine Entscheidung vielleicht nicht unbedingt die Schlauste ist, die jemals auf diesem Planeten getroffen wurde. Ist es nicht stattdessen möglich, mal über die Amerikaner und Trump zu sprechen? Nein? Okay, here we go, meine Top-List der dümmsten Fragen so far. […]
Ich musste gerade so lachen und zustimmend nicken! Bin Ende Januar nach Guatemala gegangen und werde dort zwei Jahre leben und arbeiten. Mit all deinen Gedanken sah ich mich ebenfalls konfrontiert- mit dem kleinen Unterschied, dass meine Zeitnot etwas größer war: ich hatte 8 Wochen zur Ausreise und normale Arbeit bis 2 Tage vor meinem Abflug. Das war hart. LG Manu
Hey Manu,
sehr cool! Nach Guatemala zu gehen, stelle ich mir auch ganz schön spannend vor! Ich hoffe, du hast dich schon ein bisschen eingelebt! 🙂
Und Hut ab – innerhalb von acht Wochen hätte ich das alles niemals geschafft 😀
Liebe Grüße,
Kathi
[…] vor der Abreise steigt die Nervosität und auch die Melancholie und die Vorfreude exponentiell. Acht Wochen Gefühlschaos stehen euch bevor, wenn ihr nur ein bisschen so tickt wie […]